Texte zur Geschichte der Musikalischen Komödie 

Hendrik Reichardt studierte an den Musikhochschulen Leipzig und Weimar Orchestermusik, Musikpädagogik und Improvisation mit dem Hauptfach Posaune. Er ist Mitglied des Orchesters der Musikalischen Komödie und publiziert nebenberuflich seit 2007 (u.a. im Pfau-Verlag Saarbrücken). Die Texte zur Geschichte der Musikalischen Komödie entstanden für die Website des Vereins »Freunde und Förderer der Musikalischen Komödie e.V.« und sind urheberrechtlich geschützt. Verwendungsanfragen sind an den Verein zu richten.

Die Musikalische Komödie Leipzig ist ein Musiktheater mit eigenem Solistenensemble, Orchester, Chor und Ballett. Zusammen mit der Sparte Oper und dem Leipziger Ballett ist sie Bestandteil des städtischen Eigenbetriebs Oper Leipzig. Mit ihrem künstlerischen Profil hat sich die Musikalische Komödie vor allem der Operette sowie dem Musical verschrieben. Daneben spielt seit einigen Jahren Musiktheater für Kinder und Jugendliche in Form spezieller Opern- und Ballettproduktionen eine wichtige Rolle. Das 1912 im Reformstil mit Elementen des Jugendstils errichtete Theater im Gebäudekomplex »Drei Linden« im Leipziger Stadtteil Lindenau hatte in seiner Geschichte unterschiedliche Nutzungen, bevor 1960 das traditionsreiche Leipziger Operettenensemble einzog und 1968 das Theater sowie das Ensemble seinen heutigen Namen erhielt. Seit 2021 erstrahlt die Musikalische Komödie nach ihrer fertiggestellten Renovierung und baulichen Umgestaltung in »neuem Glanz«.
© Andreas Birkigt
© Andreas Birkigt

Die »Gesellschafts- und Festsäle 'Drei Linden'«, 1912-1918

Der Ort, an dem heute die Musikalische Komödie steht, kann auf eine mehr als 550-jährige Geschichte zurückblicken. Ausgangspunkt ist eine an der alten Handelsstraße Via Regia erbaute Gastwirtschaft im damaligen Dorf Lindenau. 1465 wird sie anlässlich eines dort abgeschlossenen Vertrages zwischen dem Leipziger Rat und den Rittern Hans und Albrecht von Lindenau, die in diesem Jahr ihren Stammsitz von Lindenau nach Schloss Machern verlegen, erstmals urkundlich erwähnt. 1680 erhält sie das Privileg zur Einführung »fremder Biere«: Fortan dürfen Eilenburger und Torgauer Bier ausgeschenkt werden. 1713 wird infolge eines Brands ein größerer Bau mit barockem Mansarddach errichtet und »Zu den drei Linden« genannt. Linden, die als Hausbäume Loyalität, Geselligkeit sowie Vermögen symbolisieren, sind Namensstifter zahlreicher Orte wie beispielsweise auch der Stadt Leipzig selbst. Im 18. Jahrhundert liegt der Gasthof vor den Toren der Stadt im Grünen und ist ein beliebtes Ausflugsziel. Im geräumigen Garten lagern während der Völkerschlacht französische Soldaten, Napoleon hält sich am 19. Oktober 1813 im gegenüberliegenden Mühlenhof auf. Im 19. Jahrhundert finden neben Tierschauen, zu denen sogar der sächsische König Johann anreist, allsommerlich Aufführungen im Theatergarten statt, darunter auch Operetten wie »Der Mikado« von Arthur Sullivan oder »Giroflé-Giroflá« von Charles Lecocq. 1867 wird ein Saal an den Gasthof angebaut, und die »Drei Linden« werden als »Concert-und Balletablissement« beworben. Im Zuge der Industrialisierung erhält der Gasthof 1882 Straßenbahnanschluss. Nach der Eingemeindung Lindenaus wird die Trasse 1896 elektrifiziert. Der inzwischen mitten in städtischer Bebauung befindliche alte Gasthof wird 1910 abgebrochen und durch das heutige, erheblich größere Gebäudeensemble ersetzt.
Der Name Drei Linden als ehemalige Gasthofbezeichnung wird für den 1912 errichteten Bau übernommen, da der Bauherr – die »C.W. Naumann Brauerei AG« – in diesem Gebäudekomplex neben Wohnungen, Geschäften und Werkstätten als Herzstück wieder eine Gastwirtschaft mit zwei Sälen, den »Venussaal« und einen »Concert- und Ballsaal« mit Bierschwemme im Parterre und Weinlokal auf der Empore, errichtet. Im Mittelpunkt der von Architekt Friedrich Otto Gerstenberger für die Brauerei ausgearbeiteten Konzeption steht die räumliche Nähe von Arbeiten, Wohnen und Feiern innerhalb eines einzigen Gebäudekomplexes – eine bauliche Eigenart Leipzigs, die an ebenfalls in dieser Zeit entstehende Passagebauten erinnert. Denn die Festsaal- und Wohnnutzung sind architektonisch so verschränkt, dass sie ein einheitliches Ganzes bilden. »Drei Linden« bezeichnet nun das gesamte, heute unter Denkmalschutz stehende viergeschossige Gebäudeensemble von der Dreilindenstraße über die Frankfurter Straße (heute Zschochersche Straße) bis zur Lützner Straße mit allen Bestandteilen. Das Zentrum bilden die »Gesellschafts- und Festsäle«, die heute als Zuschauersaal und als Venussaal Bestandteile der Musikalischen Komödie sind.
Die gewölbte, freitragende Spannbetondecke mit ihren zahlreichen Kassettenelementen ist zur Einweihung des Hauses am 25. Dezember 1912 eine architektonische Sensation. Sie bedeckt eine Fläche von 26 Metern lichte Breite und 33 Metern Länge und zählt damit zu den größten Konstruktionen, die in dieser Art bis dahin ausgeführt worden sind. Genutzt wird der große Festsaal der Naumann-Brauerei, der auch über Bildwerfertechnik zur Vorführung von Stummfilmen verfügt, überwiegend für Unterhaltungskonzerte und heitere Theaterstücke wie sie bisher an gleicher Stelle im Sommertheater stattgefunden haben. Während der Leipziger Messe finden abends »Grosse Mess-Bälle« statt. Auch die Politik gibt sich von Anfang an in diesem Haus die Ehre: Am 23. Mai 1913 feiert die SPD hier das 50-jährige Bestehen der in Leipzig begründeten deutschen Sozialdemokratie mit einem großen Festakt.
Der barocke Gasthof Drei Linden um 1900
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Postkarte von 1901
© Stadtarchiv Leipzig
Der Gebäudekomplex Drei Linden um 1913
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Fassadenansicht um 1913
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Der große Festsaal, 1912
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Der Venussaal, 1912
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Das »Varieté 'Drei Linden'«, 1918-1944

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs verkauft die C.W. Naumann Brauerei AG Anteile an den Gesellschafts- und Festsälen im Gebäudekomplex Drei Linden an das Leipziger Bankhaus »Wagner & Co«. Dieses lässt 1918 den Umbau der Festsäle zu einem Varietétheater nach Plänen des Leipziger Architekten Alfred Liebig durchführen. Das Foyer und die Säle bekommen neue kunstvolle Malereien und Ornamente, große Kronleuchter und modernes großstädtisches Mobiliar, teils mit Elementen im Stil des »Art Déco«. Der Bühnenraum wird erweitert und ein eiserner Vorhang eingezogen. Der Bildwerferraum für die Vorführung von Stummfilmen erfährt eine Vergrößerung. Für deren musikalische Begleitung sowie für das Zusammenspiel mit der Bühne wird ein flacher Orchestergraben eingebaut. Die nunmehr feste Bestuhlung im großen Saal sowie im Rang bietet nahezu 2000 Zuschauern Platz. Am 20. Oktober 1918 wird das Varietétheater unter der Direktion von Kurt Kaiser und Curt Schaeffer feierlich eröffnet.

Diese aufwendige Investition müsste sich eigentlich rechnen, doch die damaligen Investoren können leider nicht in die Zukunft sehen: Sie wissen noch nicht, dass drei Wochen später das Kaiserreich zusammenbrechen wird, mit der Ausrufung der Republik und dem Ende des Ersten Weltkriegs bürgerkriegsartige Unruhen im Land ausbrechen, in denen zeitweise alle Theater und Vergnügungsstätten von der Regierung wegen Ausrufung des Ausnahmezustands geschlossen werden. Die wirtschaftliche Not der Bevölkerung steigert sich ungemein durch eine Wirtschaftskrise infolge der an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zu zahlenden Reparationen. Die Währung verliert in der Inflation bis 1923 ihren Wert. Unter solchen Bedingungen ist an eine Refinanzierung des teuer hergerichteten Etablissements kaum zu denken. Am 1. Oktober 1923 gibt das Bankhaus Wagner & Co eine Aktie auf das Varietétheater aus. Das Hanseatische Handelskontor für historische Wertpapiere schreibt hierzu: »Der Betrieb lief in der schlimmen Inflationszeit nicht besonders gut und produzierte Verluste, zu allem Überfluss musste dann 1925 auch noch das Guthaben beim Bankhaus Wagner & Co. abgeschrieben werden, da die Bank selbst insolvent wurde. Die Gläubiger unterstützten die im Freiverkehr Leipzig börsennotierte AG noch durch ein Moratorium, doch 1926 geriet sie in Konkurs. 1927 wurde die Fortsetzung beschlossen, 1929 übernahm die Berliner Scala-Lichtspielgesellschaft die Aktienmehrheit und verlegte das Unternehmen nach Berlin W 62 (Lutherstr. 22-24), 1932 umbenannt in ‚Dreli-Theater‘ AG. Die Weltwirtschaftskrise machte der AG 1933 endgültig den Garaus. Der Leipziger Betrieb war schon Jahre zuvor in die ‚Drei Linden GmbH‘ überführt worden, an der die Brauerei C.W. Naumann AG mit 50% beteiligt war«.

Einen künstlerischen Betrieb hat es während der gesamten Zeit gegeben. Nachgewiesen sind neben Humoristen wie Otto Reutter zahlreiche Künstler des Neuen Operettentheaters Leipzig, die hier gastieren wie beispielsweise Erika Körner 1938. Rund zwei Jahrzehnte später wird das Leipziger Operettenensemble zum neuen Hausensemble und bleibt es bis heute. Das Varietétheater gibt eine eigene Zeitschrift heraus, die »3-Linden-Illustrierte«. Große »Ausstattungsrevuen« werden geboten, beispielsweise unter der Gastspieldirektion des Wiener Schauspielers und Theaterleiters Anton Tiller. Der Spielbetrieb dauert bis in den Zweiten Weltkrieg an.

Blick zur Bühne, 1920
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Blick in den Zuschauersaal, 1920
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Seitenfoyer um 1920
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Werbeplakat, 1921
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Das Interim »Dreilindenoper«, 1944-1960

Im Zuge des ersten großen alliierten Luftangriffs auf Leipzig am frühen Morgen des 4. Dezember 1943 werden neben zahlreichen Gebäuden auch alle Theater Leipzigs zerstört – mit Ausnahme des Varietétheaters Drei Linden. Das »Neues Theater« genannte damalige Opernhaus am Augustusplatz ist nicht mehr zu retten. Das Opernensemble bekommt als Interim das Lindenauer Varieté zugesprochen und spielt dort nach nur elfwöchigen Umbauarbeiten ab dem 27. Februar 1944 mit Webers »Der Freischütz« weiter bis zu seinem Einzug in das neuerbaute jetzige Opernhaus 1960. Interessant ist die Nutzung des Theaters als einer der wenigen verfügbaren Versammlungsorte in Leipzig an der Schnittstelle zwischen NS-Diktatur und Nachkriegszeit: Am 6. und 7. Januar 1945 finden nationalsozialistische »Feierstunden für Angehörige aller Gefallenen des Kreisgebietes Leipzig« statt, am 11. Februar eine weitere Veranstaltung »für Verwundete und Genesende« der Wehrmacht. In der kurzen Zeit der US-amerikanischen Besatzung in Leipzig vom 18. April bis zum 2. Juli 1945 fungiert das Haus als amerikanische Truppenbetreuungs-Spielstätte. Nach Übergabe West- und Nordsachsens an die sowjetische Besatzungsmacht wird das Haus sofort für politische Veranstaltungen weiterbenutzt. Erich Zeigner, wenige Monate zuvor noch Häftling im KZ Buchenwald, spricht hier während Versammlungen der SPD. Zeigner wird am 16. Juli 1945 Oberbürgermeister der Stadt Leipzig. Auf dem Weg zur späteren Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED findet am 3. und 4. November 1945 eine gemeinsame Funktionärskonferenz im Theatersaal statt, an der unter anderem auch der aus der Emigration zurückgekehrte spätere Staatschef der DDR Walter Ulbricht teilnimmt.

Für die dauerhafte Nutzung als Musiktheater sind weitere Umbauten notwendig, mit denen der damalige technische Direktor Oswald Ihrke betraut wird. Das Gleichstromsystem wird durch Wechselstrom ersetzt, ein größerer Orchestergraben eingebaut. 1952 kommt es zu umfangreicheren Umbauarbeiten. Unter anderem entsteht ein Parkettumlauf, die alte Spannbetondecke verschwindet hinter einer eingezogenen Zwischendecke, »spätbürgerliche« Ornamente und Figuren an der Fassade und im Gebäude werden entfernt, die Bühne wird um mehr als fünf Meter Richtung Zuschauerraum verlängert, der Mittelrang Richtung Bühne vergrößert, wesentliche Bühneneinbauten werden vorgenommen oder verändert (Schnürboden, Bühnenportal, eiserner Vorhang, Beleuchterbrücke, fahrbare Beleuchtertürme, Stellwerk). Der Saal reduziert sich auf immerhin noch 1193 Zuschauerplätze, das sechstgrößte Theater der damaligen DDR. Unter diesen technischen Bedingungen wird auch nach dem Einzug des Operettenensembles 1960 und der Benennung in »Musikalische Komödie« gespielt, im Grunde genommen bis zur Teilsanierung 1992.

Außenansicht, 1946
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Blick in den Zuschauersaal, 1946
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Der Zuschauersaal nach dem Umbau von 1952
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
© Archiv der Oper Leipzig

Das »Kleine Haus«, 1960-1968

In der Spielzeitpause im Sommer 1960 verlässt das Opernensemble das seit 1944 genutzte ehemalige Varieté Drei Linden und zieht wieder in die Innenstadt in das neuerrichtete Opernhaus. Gleichzeitig hält das Leipziger Operettenensemble, das seit 1945 ebenfalls in einer Ausweichspielstätte im Hotel »Deutsches Haus« spielen musste und dieses zu einem Theater umgebaut hat (heute Theater der Jungen Welt), Einzug in das geräumigere Theater in der Dreilindenstraße. Dieses ist damals von der Platzkapazität her annähernd mit dem ursprünglichen Sitz des Ensembles, dem im Zweiten Weltkrieg teilzerstörten »Centraltheater« in der Bosestraße 1 (heute Schauspielhaus) vergleichbar und wird nun zu dessen dauerhaftem Zuhause.

Der künstlerische Beginn im neuen Haus geschieht durch ein regelrechtes Eröffnungs-Feuerwerk von gleich drei Premieren innerhalb der ersten elf Tage. Auf Carl Zellers »Vogelhändler« am 20. August 1960 folgen die Erstaufführung der im Hafen von Odessa spielenden Operette »Wale, Liebe und Matrosen« von Isaac Dunajewski am 24. August und schließlich die Vaudeville-Operette »Mam’zelle Nitouche« von Florimond Hervé am 31. August 1960. Dazwischen gibt es nicht etwa Pausentage für Umbauten, Proben oder dergleichen, sondern neben weiteren Vorstellungen der genannten Werke sogar noch zwei Wiederaufnahmen von Stücken aus dem Operettentheater am Lindenauer Markt: Offenbachs »La Périchole« am 21. August, das in dieser Inszenierung von Heinrich Voigt im April 1960 vom Deutschen Fernsehfunk aufgezeichnet worden war, sowie Millöckers »Madame Dubarry« am 23. August 1960. All das ist damals nur möglich durch Einstudierarbeiten in der vorherigen Spielzeit, die noch im Operettentheater am Lindenauer Markt stattgefunden haben. Es belegt neben dem unglaublichen Arbeitspensum aller Beteiligter auch die Kontinuität im Bestehen des Ensembles.

Mit dem neu bezogenen Theaterbau geht eine personelle Aufstockung des Ensembles (Solisten, Chor, Ballett) einher: Das vergrößerte Operettenorchester wird als Orchester der Leipziger Theater auch im Schauspielhaus sowie im Opernhaus zur Bespielung des Kellertheaters sowie der Bühnenmusik eingesetzt, letzteres ist bis heute eine Aufgabe des Orchesters. Ballett und Chor werden ebenfalls sowohl im Schauspielhaus wie im Opernhaus eingesetzt. Aber dafür zahlt das Ensemble einen hohen Preis: Durch die Änderung des angestammten, wohlbekannten Namens von »Operettentheater Leipzig« auf »Kleines Haus der Leipziger Theater« verschwindet für viele Jahre der bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückreichende Bezug zur spezifischen Tradition dieses Ensembles als Hauptinterpreten der Operette in Leipzig – zuerst nur aus dem Namen und folglich irgendwann auch aus dem öffentlichen Bewusstsein.

Die Benennung »Kleines Haus« resultiert damals aus der Konzeption, beide Häuser der Oper von der Besetzungsgröße und der musikalischen Form her, aber eben nicht vom Genre ausgehend zu bespielen. Inhaltlich sollte ein Spielplan sich auf ein großes und ein kleines Haus verteilen. Diese Zielsetzung wird allerdings kaum durchgehalten. Zu viele Übernahmen gibt es aus dem Operettentheater im Kleinen Haus, zu ausschließlich ist von Anfang an die nun machbare große Oper im neuen Opernhaus vertreten. Natürlich führt das Kleine Haus anfangs auch Stücke der Dreilindenoper fort: Mozarts »Così fan tutte«, Adams »Der Postillon von Lonjumeau« oder das Ballett »Eine Tochter Kastiliens« von Glière. Opern von Haydn, Mozart, Lortzing, Donizetti, Rossini, Puccini bis Britten feiern in den nächsten Jahren Premiere. Höhepunkte dieses Repertoires sind sicherlich die Joachim-Herz-Inszenierung von Brecht/Weills »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« und die Erstaufführung der Revolutionsoper »Der letzte Schuss« von Siegfried Matthus 1967. Das Leipziger Ballett unter Emmy Köhler-Richter tritt in den 1960er Jahren auch im Kleinen Haus auf. Ballettabende mit Musik von Gershwin, Weill, Chatschaturjan, Prokofjew und Strawinsky liegen den bisherigen Operettenmusikern ebenfalls und sind neben dem Operettenrepertoire auch beim Publikum sehr beliebt. Aber daneben bringt Regisseur und Direktor Erhard Fischer am 23. November 1965 erstmals in Leipzig ein Broadway-Musical im Kleinen Haus zur Premiere: Cole Porters »Kiss me, Kate«. Sein Nachfolger Wolfgang Weit, ebenfalls Regisseur, nutzt die längst begonnene Popularität des Musicals auch in der DDR für Leipziger Erstaufführungen wie Frederic Loewes »My Fair Lady«, Peter Kreuders »Bel Ami« und Harold Romes »Fanny«, und entwickelt bis 1968 eine neue Konzeption für diese Bühne, die schließlich zur heutigen Namensgebung »Musikalische Komödie« führt.

Der Wiener Kapellmeister und Komponist Adolf Hofmann, der seit 1939 mit dem Ensemble als musikalischer Leiter verbunden ist, persönlich mit zahlreichen Operettenkomponisten wie Lehár bekannt war und daraus seinen persönlichen Stil entwickelt hat, ist seinem Ensemble durch alle Spielstättenwechsel hindurch treu geblieben. Er dirigiert nach 1960 einerseits das klassische Operettenrepertoire (»Die Csárdásfürstin«, »Das Spitzentuch der Königin«, »Mamz’elle Nitouche«), bringt aber auch in seinen letzten Spielzeiten noch Leipziger Erstaufführungen heraus wie Fred Waldes Operette »Schwarze Rosen« über die Bürgerrechtsbewegung in den USA (1961) oder Gerd Natschinskis »Messeschlager Gisela« (1962) mit explizitem Leipzig-Sujet. Dieses Gespür für das sich zu engagieren lohnende Neue verbindet ihn übrigens mit dem späteren langjährigen Chefdirigenten des Orchesters, Roland Seiffarth. Dieser wird 50 Jahre später ebenfalls am Ende seines Wirkens am Haus die deutschsprachige Erstaufführung des Musicals »Lend Me A Tenor« leiten (2013). Hofmann eröffnet mit der Operette »Messeschlager Gisela« eine Natschinski-Serie am Haus, die bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts anhält.

Besondere Erfolge erzielen am Kleinen Haus Operetten von Offenbach (»Orpheus in der Unterwelt«, »Pariser Leben«, »Die schöne Lurette«, »Die Banditen«) sowie Millöcker, Strauß und Fall. Uraufführungen neuer, musikalisch zum Musical tendierender Operetten (»Urlaub ins Glück«, »Rund ist die Welt« von Wolfram Heicking) und Erstaufführungen im Haus wie »In Frisco ist der Teufel los« von Guido Masanetz 1965 unter Kapellmeister Diether Noll führen im Haus zum Plan, sich vollständig auf die Genres Operette, komische Oper und Musical zu konzentrieren und dies durch einen übergeordneten Theater- und Ensemblenamen auszudrücken. Direktor Wolfang Weit findet eine solche Bezeichnung, welche wie die Berliner »Komische Oper« selbst ein Genrebegriff ist und gleichzeitig das Repertoire unter einem schlagkräftigen Namen zusammenfasst. Dieser wird in Abstimmung mit dem Generalintendanten der Leipziger Theater Prof. Karl Kayser zu Beginn der Spielzeit 1968/69 dem Theaterhaus und damit auch dem Ensemble selbst verliehen: er lautet »Musikalische Komödie«. Es ist Wolfgang Weits Verdienst, dem Ensemble und dem Haus ein spezifisches Profil und einen schlagkräftigen Namen gegeben zu haben, der obendrein als kluger Schachzug einmalig und unverwechselbar ist – übrigens weitblickenderweise damals schon in ganz Deutschland.

Werbeplakat, 1965
© Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Suppè, »Boccaccio«, 1960
© Helga Wallmüller
Heicking, »Rund ist die Welt«, 1961 mit Achim
Wichert, Lisa Thomas-Muschau, Kurt Hertzsch
© Helga Wallmüller
Natschinski, »Messeschlager Gisela«, 1962
© Helga Wallmüller
Offenbach, »Pariser Leben«, 1963
© Helga Wallmüller
Masanetz, »In Frisco ist der Teufel los«, 1965
© Helga Wallmüller
Burkhard, »Das Feuerwerk«, 1966
© Helga Wallmüller
Lehár, »Der Graf von Luxemburg«, 1966
© Helga Wallmüller

Die »Musikalische Komödie« im Leipziger Theaterverbund (1968 bis 1990)

Die ersten Premieren als »Musikalische Komödie« in der Spielzeit 1968/69 sind Cole Porters Paris-Musical »Can-Can« am 2. September, gefolgt von Benjamin Brittens heiterer Kammeroper »Albert Herring« am 15. September. Als erste Operette unter neuem Namen erscheint am 17. November Millöckers »Gasparone«. Gisela May vom »Berliner Ensemble« gastiert im Dezember 1968 in Brecht/Weills »Die 7 Todsünden der Kleinbürger«. In den 70er und 80er Jahren gibt es ein ausgeprägtes Solistenensemble mit zahlreichen Publikumslieblingen. Unter vielen anderen sind das damals Christa Nowak, Ilha Kürten, Christel Guck, Barbara Helgert, Brigitte Kreuzer, Angela Mehling, Anne-Kathrin Fischer, Edgar Wählte, Dieter Scholz, Walter Reimsbach, Hans-Gottfried Henkel, Hans-Peter Eichhorn, Dietrich Hergt, Manfred Brendel, Piotr Kolodziej, Folker Herterich und Karl Zugowski. Lisa Thomas-Muschau und Werner Ebert sind die letzten Eminenzen aus der Zeit des Neuen Operettentheaters (»Centraltheater«) im Ensemble. Neben Chefdirigent Walther Hessel und ab 1978 Roland Seiffarth stehen die Kapellmeister Werner Feder und Ralph Rank am häufigsten am Pult.

Das Spielen von Musicals setzt sich in der Musikalischen Komödie in den nächsten Jahren im begonnenen zweigleisigen Verfahren fort: Einerseits gelangen Broadway- und internationale Musicals bis 1990 zur Erstaufführung für die DDR (unter anderem Mitch Leighs »Der Mann von La Mancha«, Udo Jürgens‘ »Helden, Helden«, Robert Wrights »Kismet«, Ferry Olsens »Wonderful Olly«) oder sind erstmals in Leipzig zu sehen (»Hello, Dolly!« 1972, »Cabaret« 1977, »Sweet Charity« 1981, »Annie get Your Gun« und »Alexis Sorbas« 1982, »Show Boat« 1984, »Oklahoma!« 1985, »Sugar« 1989). Andererseits pflegt man das sich seit Ende der 50er Jahre entwickelnde Repertoire der auf dem Gebiet der DDR entstehenden Musicals. Komponisten wie Conny Odd (»Karambolage«, »Olala, Mademoiselle«, Uraufführung 1972), Alo Koll (»Die Wette des Mister Fogg« nach Jule Vernes »In 80 Tagen um die Welt«, Uraufführung 1971), Gerhard Kneifel (»Bretter, die die Welt bedeuten«), Rolf Zimmermann (»Connie und der Löwe«) und vor allem Gerd Natschinski (»Mein Freund Bunbury« in drei Inszenierungen, »Terzett« mit dem Komponisten am Pult bei der Uraufführung 1974, »Das Decameronical«, »Caballero« als Uraufführung 1988), stehen häufig auf dem Spielplan. Zahlreiche Textbücher mit spitzzüngigen subversiven Zeitbezügen stammen von Jürgen Degenhardt. Großen Anteil insbesondere an Musicalerfolgen haben die Choreographien der Ballettchefs Wolfgang Baumann und Monika Geppert. Ab 1984 wird mit dem Zweipersonen-Broadway-Musical »Das musikalische Himmelbett« von Harvey Lester Schmidt der historische Venussaal als Spielstätte innerhalb der Musikalischen Komödie für klein besetzte Stücke genutzt. Diese firmieren heute als »Kleine Komödie«.

Operetten im Spielplan der 70er und 80er Jahre sind vor allem Werke Offenbachs »Die Großherzogin von Gerolstein«, »Ritter Blaubart«, »Orpheus in der Unterwelt«, »Madame Favart« und »Pariser Leben«, Suppès »Banditenstreiche«, »Boccaccio« und »Die schöne Galathée«, Millöckers »Bettelstudent«, Heubergers »Opernball«, Gilberts »Keusche Susanne«, Linckes »Frau Luna« in der Fassung von Otto Schneidereit, Nedbals »Polenblut«, Künnekes »Vetter aus Dingsda«, Benatzkys »Im weißen Rössl«, Lehárs »Zigeunerliebe« oder seine seltener gespielte Operette »Das Mädchen aus Paris«. Sie sind in Inszenierungen von Wolfgang Weit, Erwin Leister, Günter Lohse, Günter Thielemann oder Uwe Wand zu sehen. 1974 realisiert Opernkapellmeister Roland Seiffarth mit Kálmáns »Csárdásfürstin« seine vielbeachtete erste Einstudierung an der Musikalischen Komödie. Dem Ensemble ist er seit 1967 bekannt, als er »My Fair Lady« übernimmt. 1978 wird er Chefdirigent. Unter Seiffarths Leitung wird der Spielplan ausschließlich auf Operette und Musical ausgerichtet. Gemeinsam mit den Direktoren Weit und Winter sowie Oberspielleiter Erwin Leister bringt er dabei ab 1980 auch altrenommierte Komponisten aus der Bundesrepublik und Österreich erstmals seit den frühen 50er Jahren wieder in den Spielplan beziehungsweise macht sie überhaupt salonfähig. Das gilt etwa für Friedrich Schröder (»Das Bad auf der Tenne«), Bernhard Eichhorn (»Das Glas Wasser oder Barock and Roll«), Erwin Halletz (»Die Gräfin vom Naschmarkt«), Robert Stolz (»Der Tanz ins Glück«, »Trauminsel«, beides DDR-Erstaufführungen), oder Nico Dostal (»Doktor Eisenbart«, »Die ungarische Hochzeit«). Zusätzlich holt Roland Seiffarth den längst vergessenen jüdischen Komponisten Paul Abraham 1988 mit der ersten Leipziger Aufführung von dessen frivol-jazziger Operette »Ball im Savoy« seit 1932 wieder ins Bewusstsein zurück. Die »Blume von Hawaii« folgt kurz nach der deutschen Wiedervereinigung 1990.

Offenbach, »Ritter Blaubart«, 1970
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Kander, »Cabaret«, 1977
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Natschinski, »Mein Freund Bunbury«, 1978
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Stolz, »Trauminsel«, 1987
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Loewe, »My Fair Lady«, 1988
© Andreas Birkigt
Olsen, »Wonderful Olly«, 1990
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Die Musikalische Komödie im vereinigten Deutschland

Mit der Auflösung des Städtischen Theaterverbundes im Zuge der politischen Ereignisse von 1989 wird die Musikalische Komödie im Mai 1990 Bestandteil der Oper Leipzig mit zunächst eigener Direktion. Unter Direktorin Monika Geppert kommt es 1992/93 nach Plänen des Architekturbüros »Legge & Partner« zu einer Teilsanierung des Hauses, ohne die dauerhaft kein Spielbetrieb mehr möglich gewesen wäre. Bis zum Beginn einer vollständigen Renovierung und Umgestaltung dauert es allerdings bis 2014. Finanzierungsdebatten der 90er und 2000er Jahre unter den Intendanzen von Prof. Udo Zimmermann, Henri Maier und Alexander von Maravic übersteht die Musikalische Komödie nicht zuletzt dank eines ungebrochen großen Publikumszuspruchs und Rückhalts in Leipzigs Bürgerschaft sowie darüber hinaus. 1999 gründen sich die »Freunde und Förderer der Musikalischen Komödie Leipzig e.V.«. Sie unterstützen das Theater substanziell und werden mit jährlichen Veranstaltungen wie dem von Peter Zimmer präsentierten »Leipziger Operettenball« und mit Publikationen wie dem Buch »150 Jahre Operette in Leipzig« von Doris Fischer und Leonhard Czernetzki zu einem Forum für Freunde der Operette und des Musicals.

Das Ensemble absolviert seit den 90er Jahren Tourneen durch den gesamten deutschsprachigen Raum. Es wird in der Jahrhunderthalle Frankfurt/Main ebenso gefeiert wie in Winterthur oder der Kölner Philharmonie. Allein im Sommer 1992 gastiert es vier Wochen am Deutschen Theater München mit dem »Zarewitsch«. Mit dieser Inszenierung von Karl Absenger (Premiere 1991) beginnt die nun endlich wieder mögliche Zusammenarbeit mit namhaften Regisseuren, Bühnenbildnern, Sängern und Dirigenten aus der ganzen Bundesrepublik. Die Menge allein der berühmten und beliebten Operetten- und Musicaldarsteller in den letzten drei Jahrzehnten an der Musikalischen Komödie würde Seiten füllen.

Musikdirektor Roland Seiffarth schenkt bis zu seinem Ruhestand 2013 den Werken von Johann Strauß, Jacques Offenbach, Robert Stolz besonders Franz Lehár verstärkt Aufmerksamkeit: »Der Graf von Luxemburg«, »Land des Lächelns«, »Giuditta«, »Paganini« und »Der Zarewitsch« kommen unter seiner Leitung zur Premiere. Unter seinen Nachfolgern Stefan Diederich und Stefan Klingele folgen »Zigeunerliebe«, »Das Fürstenkind« und »Die Juxheirat« (2021). Klingele legt ab 2015 den Focus auf musikalische Neu- und Wiederentdeckungen. So ist Nico Dostals »Prinzessin Nofretete« 2016 im wahrsten Sinne des Wortes eine erfolgreiche »Ausgrabung« und wird in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk 2017 auf CD veröffentlicht. Operetten-Bearbeitungen von Erich Wolfgang Korngold sind eines von Klingeles Hauptprojekten. »Das Lied der Liebe« nach Johann Strauß erscheint in Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk Kultur unter seiner Leitung mit dem Ensemble der Musikalischen Komödie 2018 auf CD, die Korngold-Bearbeitung von Leo Falls »Rosen aus Florida« mit denselben Medienpartnern 2020. Positive Rezensionen im MDR, BR sowie dem Deutschlandfunk bringen dem Ensemble der Musikalischen Komödie überregionales Renommee. Der Bayerische Rundfunk zeichnet 2019 die von Kapellmeister Tobias Engeli einstudierte Kálmán-Operette »Die Herzogin von Chicago« in der Inszenierung von Ulrich Wiggers aus. Für die Ausstrahlung des Hauses bedeutend ist auch die von Roland Seiffarth 1998 ins Leben gerufene Zusammenarbeit mit dem Dirigentenforum des Deutschen Musikrates, die junge Dirigentinnen und Dirigenten an Operettenmusik heranführt. Die von MDR Kultur viele Jahre live übertragenen und von Bettina Volksdorf moderierten Abschlusskonzerte sind Höhepunkte zu Beginn eines jeden neuen Jahres.

Die Musikalische Komödie baut sich ihren heutigen überregionalen Ruf als progressives Musical-Theater auf mit Stücken wie »West Side Story«, »La Cage Aux Folles«, »Anatevka«, »Alexis Zorbas«, »Evita«, »Jesus Christ Superstar«, »The Rocky Horror Show«, »Hair«, »Kiss me Kate«, »Hello, Dolly!« und Gershwins »Crazy For You«. Uraufführungen am Haus sind die Musicals »Elixier« (1998), »Heidi« (2004) und »Wagners Ding mit dem Ring« (2013) zu Richard Wagners 200. Geburtstag. 2014 wird mit Cusch Jung erstmals ein Musical-Regisseur Oberspielleiter am Haus. Jung hatte 2011 mit »Jekyll & Hyde« von Frank Wildhorn außerordentlichen Erfolg. Mit weiteren Werken dieses Musical-Komponisten wie »Der Graf von Monte Christo« als deutschsprachige Erstaufführung (2012) und »Dracula« (2016) setzt er diese Reihe fort. Jungs Regiearbeiten wie »Love Musik« über das Leben von Kurt Weill und Lotte Lenya sowie Lucy Simons »Doktor Schiwago« (2018 als deutschsprachige Erstaufführung) werden ebenfalls zu vielbeachteten Erfolgen. Er engagiert außerdem Thomas Hermanns als Regisseur für »Hape Kerkelings Kein Pardon«. Das klassische Musical kommt im Rahmen von Leonard Bernsteins 100. Geburtstag zum Tragen mit der Musicalfassung seiner Oper »Candide« und vor allem seinem Musical »On The Town« (beides Jung-Inszenierungen). »On The Town« wird sowohl im Haus selbst wie auch auf Gastspielen gefeiert. Daneben begleitet das Ensemble auch Künstler der Showbranche sowie ganze Bands. Den Anfang macht die Dresdner Band »MerQury« 2007 mit dem Projekt »Queen Klassical«. Das Orchester der Musikalischen Komödie musiziert im Rahmen des Festivals »Klassik Open Air« auf dem Berliner Gendarmenmarkt mit Künstlern wie den »Supremes«, der Sopranistin Anna Maria Kaufmann, dem Countertenor Jochen Kowalski oder der Jazzsängerin Pascal von Wroblewsky. Seit 2015 besteht mit der Leipziger Band »Die Prinzen« enger Kontakt. Nach einer gemeinsam mit den Prinzen produzierten DVD geht das Orchester mehrfach mit der Band auf Tournee. Es spielt dabei unter anderem 2018 unter der Leitung von Tobias Engeli als erstes Leipziger Orchester in der neuen Hamburger Elbphilharmonie und musiziert 2019 auf einer Open-Air-Prinzen-Tournee zusätzlich mit Christina Stürmer und dem Duo »Fools Garden«.

Im Bereich komische Oper liegt in den 2000er Jahren der Schwerpunkt auf Spielopern wie »Martha« oder »Die lustigen Weiber von Windsor«. Daneben sind Raritäten zu erleben wie Grétrys »Die beiden Geizigen« (2007) unter der musikalischen Leitung von Werner Erhardt von Concerto Köln. Seit 2010 steht hier das Werk Albert Lortzings im Mittelpunkt mit Inszenierungen von »Zar und Zimmermann«, »Der Waffenschmied«, »Der Wildschütz«, »Casanova« sowie mit dem Oratorium »Die Himmelfahrt Christi«, das in der Leipziger Peterskirche aufgeführt wird.

Eine zunehmend bedeutende Säule im Spielplan der Musikalischen Komödie bildet Musiktheater für Kinder, seit der Intendanz von Prof. Ulf Schirmer ergänzt durch Angebote für Jugendliche unter der Rubrik »Junge Oper«. Von 1994 bis 2019 ist Harold Arlens »Der Zauberer von Oss« ein Dauerbrenner im Spielplan, den mehrere Generationen sehen. Maurice Ravels »Das Kind und der Zauberspuk« und Camille Saint-Saëns‘ »Der Karneval der Tiere« bieten 2008 erstmals am Haus Oper beziehungsweise Ballett für Kinder. Ballette in Choreographien von Ballettchef Mirko Mahr setzen diese Reihe erfolgreich fort: »Aschenputtel« mit Musik von Johann Strauß, »Alice im Wunderland« als von Kapellmeister Tobias Engeli mit einer Eigenkomposition zusammengestelltes Pasticcio, Prokofjews »Romeo und Julia« und Bizets/Schchedrins »Carmen« als Ballette für Jugendliche. Überregionale Aufmerksamkeit erregen die Opernproduktionen »Der Ring für Kinder« und »Der Freischütz für Kinder« in Inszenierungen von Jasmin Solfaghari. Konzerte mit Brittens »Young Person’s Guide To The Orchestra«, dem musikalischen Märchen »Peter und der Wolf« von Prokofjew sowie »Paddington Bärs erstes Konzert« von Herbert Chappell ergänzen das Repertoire. Als Basisangebot für Kindergarten- und Grundschulkinder finden außerdem zahlreiche »Instrumentenkunde«-Veranstaltungen durch Orchestermitglieder der Musikalischen Komödie in Zusammenarbeit mit der Theaterpädagogik der Oper statt. In der Reformierten Kirche Leipzig spielt das Orchester seit vielen Jahren im Rahmen des Musikfestivals »Klassik für Kinder«.

Die Musikalische Komödie wirbt seit Jahren mit dem Wahlspruch »kultig, herzlich, original«. Und mit ihrem künstlerischen Profil und ihrer räumlichen Lage inmitten der Leipziger »Westkultur« ist sie tatsächlich Kult bei Jung und Alt. Besonders beliebt sind Stücke wie Patrick Rohbecks »Capriolen – die Lindenauer Palastrevue«, welche die Geschichte der Revue, aber auch die des Hauses und des Ensembles lebendig werden lässt. Intendant Prof. Ulf Schirmer entwickelt ab 2011 mit Unterstützung von Betriebsdirektor Torsten Rose und dem technischen Direktor Frank Schmutzler gemeinsam mit der Stadtverwaltung ein Konzept zur umfassenden Renovierung und baulichen Veränderung der Musikalischen Komödie. Dieses Konzept wird vom Leipziger Stadtrat mit einstimmigem Beschluss angenommen und ab 2014 zunächst bei laufendem Betrieb bis 2021 gemeinsam mit Architekt Wolfgang Brauer und Baumeister Volker Längrich realisiert. 2019/20 muss allerdings das Ensemble in ein Interim ziehen. Im historischen »Westbad« am Lindenauer Markt feiert das Ensemble mit Produktionen wie der Schlagerrevue »Spiel mir eine alte Melodie«, dem Ballettabend »Zorbas/ Balkanfeuer« sowie den Musicals »Kuss der Spinnenfrau« und »Bretter, die die Welt bedeuten« Erfolge, während die »Corona-Pandemie« ab März 2020 etliche Produktionen bis zum Wiedereinzug im April 2021 und darüber hinaus verhindert. Eine reduzierte »Gräfin Mariza«-Premiere findet als erste Veranstaltung vor Publikum im Haus am 9. Juni 2021 statt. In der Produktion »Die Juxheirat« von Franz Lehár tritt am 2. Oktober 2021 wieder das gesamte Ensemble in Erscheinung.

Mit der Einweihung der umgebauten und renovierten Musikalischen Komödie übergibt die Stadt Leipzig dem Publikum ein modernisiertes kulturelles und städtebauliches Juwel: Leipzigs einzig erhaltenes Theatergebäude aus der Jugendstilzeit. Die Musikalische Komödie als Herzstück des denkmalgeschützten Gebäudekomplexes »Drei Linden« ist tatsächlich nun auch als Gebäude ein glänzendes Aushängeschild der Leipziger Kultur. In diesem Sinne ist neben der Bewahrung der langen Operetten- und Musical-Tradition vor allem mit kreativen Impulsen aus und in der neuen Musikalischen Komödie zu rechnen, getreu dem Wahlspruch des Komponisten Grétry: »Auf dass ewig Komödien erklingen in diesem so schönen Haus!«.

Johann Strauß, »Der Zigeunerbaron« © Andreas Birkigt
Bernstein, »West Side Story«, 1995
© Andreas Birkigt
Schröder, »Hochzeitsnacht im Paradies«, 2006
© Andreas Birkigt
Lehár, »Paganini«, 2006
© Andreas Birkigt
Revue »Show Biz«, 2007
© Andreas Birkigt
Strauß, »Eine Nacht in Venedig«, 2008
© Andreas Birkigt
Herman, »Hello, Dolly!«, 2008
© Andreas Birkigt
Wildhorn, »Jekyll and Hyde«, 2010
© Andreas Birkigt
Lincke, »Frau Luna«, 2013
© Emilie Cattin
Wagner, »Der Ring für Kinder«, 2013
© Emilie Cattin
Prokofjew, »Romeo und Julia«, 2016
© Emilie Cattin
Revue »Capriolen«, 2016
© Emilie Cattin
Theodorakis, »Zorbas«, 2019
© Emilie Cattin

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